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Grünes Band in der Warteschleife! - Finanzpoker um Nationales Naturerbe Grünes Band bedroht einzigartige Lebensräume

10. Juli 2007 | Grünes Band

Zum 4. Jahrestag des Angebots der Bundesregierung, ihre Flächen im Grünen Band kostenlos an die Bundesländer für Naturschutzzwecke zu übergeben, dem 15.Juli 2007, fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) das Bundesfinanzministerium auf, sein Versprechen endlich einzulösen, indem der kontraproduktive Haushaltsbeschluss des Bundestags vom 22.06.2006 revidiert wird. Der Schutz der wertvollen Lebensräume an der früheren innerdeutschen Grenze droht an einem Finanzpoker zwischen Bund und Ländern um Personalkosten zu scheitern. Die Flächenübertragung könnte ein Vorzeigeprojekt im Naturschutz, aber auch ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der großen Koalition sein.

Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern: „Seit über 16 Jahren setzt sich der BUND/BN für die Sicherung des Grünen Bandes als erstem gesamtdeutschen Naturschutzprojekt ein. Ausgerechnet beim Grünen Band als symbolträchtigstem Teil des Nationalen Naturerbes ist die Kluft zwischen politischer Zielaussage und Realität gewaltig. Es muss noch in diesem Jahr endlich gelingen, die Bundesflächen im Grünen Band als das Rückgrat des Grünen Bandes für den Naturschutz zu sichern.“

Unglaublich aber wahr: Fast genau vor vier Jahren, am 15. Juli 2003, hatte die damalige Bundesregierung versprochen, ihren Grundbesitz im Grünen Band zum Schutz des einzigartigen Biotopverbundsystems unentgeltlich den Bundesländern zur Verfügung zu stellen, anstatt die Flächen auf dem freien Grundstücksmarkt zu verkaufen. Da knapp zwei Drittel der Flächen in Bundesbesitz sind, wäre dies der entscheidende Schritt zu deren Erhalt.

Doch anstatt dieses Versprechen umzusetzen und eine Zerstückelung des Grünen Bandes zu verhindern, stritten sich Bund und Länder jahrelang über mögliche Kosten der Flächenübertragung. Im Moment geht es um Personalkosten von Bundesförstern, die die Länder mit den Flächen übernehmen sollen, obwohl letztere meist gar nicht mit dem Grünen Band betraut waren. Frank Henkel, Vorstand im BUND Thüringen: „Aus unserer langjährigen Erfahrung seit 1989 wissen wir, dass sich Bundesbeschäftigte für das Grüne Band vor Ort nicht zuständig fühlten. Für den Erhalt des Grünen Bandes braucht es Landesmittel für die Biotoppflege, engagierte Landwirte, Schäfer vor Ort und v.a. die Flächenverfügbarkeit, um eine zusammenhängende Pflege zu gewährleisten“. So ist außer dem derzeitigen Verkaufsstopp für die Bundesflächen nichts passiert. Es scheint, als ob Visionen mit einer endlosen Zermürbungstaktik bekämpft werden sollen!

BUND und BN appellieren daher nachdrücklich an das Finanzministerium, den für das Nationale Naturerbe kontraproduktiven Haushaltsbeschluss des Bundestags vom 22.06.2006 zu revidieren und auf die Anrechnung von Personalkosten der BIMA zu verzichten. Können diese Flächen nicht zeitnah für den Naturschutz gesichert werden, droht das längste europäische Biotopverbundsystem zu zerreißen. Es würde damit eine der größten naturschutzpolitischen Zielsetzungen von Bund und Ländern scheitern!  Durch die Verzögerungstaktik gehen Rückzugsräume und Wanderkorridore für seltene Arten wie z.B. die Wanstschrecke (Polysarcus denticauda) verloren, die im Grünen Band Thüringen - Bayern einen ihrer beiden letzten Rückzugsräume in Deutschland gefunden hat.
 
Hintergründe:
Das von der Ostsee bis ins bayerisch-sächsische Vogtland reichende 1393 Kilometer lange Grüne Band ist Heimat von über 600 gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Seine Gesamtfläche beträgt 17.656 ha, seine Gesamtlänge knapp 1400 km. Thüringen hat am Grünen Band mit 763 km Länge und 6.740 Hektar Fläche den größten Anteil.

Dass das Grüne Band naturschutzfachlich von überaus großer Bedeutung ist als wertvoller Lebensraum und einzigartige Biotopverbundlinie zwischen fast allen Landschaftsräumen Deutschlands, ist seit Jahren unumstritten, Politiker von CDU, SPD und Grünen würdigten seit Jahren den Wert des Grünen Bandes.

Lange Zeit drohte das Projekt aber am Verkauf der bundeseigenen Flächen zugunsten des sog. „Fonds für soziale und kulturelle Zwecke in den neuen Ländern“. Aufgrund umfangreicher Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit des BUND erfolgte der Verkauf nur in kleinem Stil und 2003 kam der scheinbare Durchbruch: Mit einem Verkaufsstopp wurde der Verkauf zunächst eingestellt. Der damalige Bundesumweltminister versprach die Übertragung der bundeseigenen Flächen an die Länder zu Naturschutzzwecken. Das klare Bekenntnis der rot-schwarzen Bundesregierung in den Koalitionsvereinbarungen im November 2005, das Grüne Band als „Nationales Naturerbe“ zu sichern und den Ländern kostenlos zu übertragen, bekräftigte das Angebot.

Doch statt einer zügigen Umsetzung folgte ein endloses Hickhack zwischen Bund und Ländern um die Verteilung von Geld und von Kosten. Nach vielen Verhandlungen unter Federführung des Freistaates Thüringen waren endlich alle Länder bereit, die Flächen zu übernehmen. Doch nun folgt der Pferdefuß des Bundes: Das Bundesfinanzministerium (BMF) bzw. die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) will die Flächen nur übergeben, wenn die Länder gleichzeitig auch Bundespersonal übernehmen. Dies sind Bundesförster, die pauschal anhand der betroffenen Fläche errechnet wurden, egal, ob sie jemals mit dem Grünen Band beschäftigt waren.
Auf die Länder kämen Kosten in Höhe von rund 536.000 € pro Jahr zu. Thüringen würde alleine knapp 5.000 Hektar übertragen bekommen und müsste mit etwa 350.000 € im Jahr die höchsten Personalkosten übernehmen. Thüringen hat dem Bundesfinanzministerium bereits Kompromissbereitschaft signalisiert, doch stockt seitens des BMF die weitere Verhandlung.
In Modellgebieten hat der BUND selber bereits Flächen erworben, so z.B. allein in Thüringen ca. 125 ha und könnte auch in größerem Umfang Flächen übernehmen, wenn nicht Kosten für Bundesbeschäftigte übernommen werden müssen.

In diesen Modellgebieten werden Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten durchgeführt, wie z.B. mit dem Projekt „Willi Wanstschrecke will ins Grüne Band“. Man hielt die Wanstschrecke für in Thüringen ausgestorben, bis man sie im Schutz der Grenze wieder entdeckte. Der BUND hat die Lebensräume kartiert, entwickelt eine große ehemalige Ackerfläche als Lebensraum für Willi, führt Umweltprojekte mit Schülern durch und versucht, die wenigen Lebensräume entlang des Grünen Bandes zwischen Rhön und Grabfeld zu sichern und zu vernetzen.

„Willi Wanstschrecke“ steht für viele Arten, die extensiv genutzte Wiesen oder Brachen und unzerschnittene Lebensräume brauchen. Mit ihrem dicken „Wanst“ sind sie kaum in der Lage, große Straßen zu überqueren und auf durchgehende Biotopverbindungen angewiesen. Die Schutzmaßnahmen kommen nicht nur „Willi“, sondern auch vielen anderen Arten zugute. 

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