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BUND setzt Klageverfahren gegen Thüringer-Wald-Autobahn und ICE-Strecke fort und erwägt Verfassungsbeschwerde

26. August 1996 | Mobilität, Naturschutz, Wälder

Eisenach. Der Landesverband Thüringen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält seine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Bau der "Thüringer-Wald-Autobahn" A 71/ A 73 und die teilweise parallel verlaufende ICE-Trasse Nürnberg-Erfurt weiterhin aufrecht. Gleichzeitig erwägt der Verband eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Dies teilte der Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen, Michael Spielmann, in einer heute veröffentlichten Presseerklärung mit.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 26. April den Antrag des BUND auf Anordnung eines Baustopps für die beiden Großprojekte abgewiesen. Mit diesem Ausgang des Eilverfahrens sei jedoch noch keine endgültige Entscheidung darüber gefallen, ob die Planung und Durchführung dieser Vorhaben rechtlich einwandfrei sei, betonte Spielmann. Die Ablehnung des BUND-Antrags beruhe vielmehr auf den Bestimmungen des "Beschleunigungsgesetzes", wonach ein Baustopp nur dann angeordnet werden dürfe, wenn die Rechtswidrigkeit der Planung offensichtlich ohne weitere Prüfung erkennbar sei. Eine genaue Prüfung müsse nunmehr im weiteren Fortgang des Verfahrens erfolgen.

"Dabei wird sich ergeben, daß die beiden Projekte völlig unwirtschaftlich sind und eine Vergeudung von Steuergeldern bedeuten", so Spielmann. Da vernünftige Alternativen für Autobahn und ICE ignoriert worden seien, werde mit der bisherigen Planung gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Sparsamkeit verstoßen. Die fehlende Wirtschaftlichkeit stelle damit die Planrechtfertigung insgesamt in Frage. Bestätigt sieht sich der BUND durch die derzeitige Diskussion um die fehlenden Gelder für den Baubeginn der ICE-Trasse: "Selbst im Bundesverkehrsministerium pfeifen es längst die Spatzen von den Dächern, wie unsinnig gerade diese Streckenführung quer durch den Thüringer Wald ist", so Spielmann.

Fehlenden Verkehrsbedarf sieht der BUND jedoch auch für die Autobahn. Es sei gutachterlich erwiesen, daß der Ausbau des vorhandenen Straßennetzes für Wirtschaft und Bürger billiger und effektiver sei. Damit seien gerade auch die mit der Planung verbundenen zahlreichen Enteignungen von Grund und Boden nicht zu rechtfertigen. Deshalb werde im weiteren Klageverfahren und notfalls auch verfassungsgerichtlich zu klären sein, ob diese schwerwiegenden Eingriffe in ein Grundrecht zulässig seien.

Unzulässig sei die bisherige Planung nach Ansicht des BUND zudem, weil das Landschaftsschutzgebiet "Bettelmannsholz" zerstört werde, ohne das die Schutzgebietsverordung von dem zuständigern Thüringer Umweltministerium aufgehoben worden wäre. "Einer Bewertung dieses offenkundig rechtswidrigen Vorgehens der Genehmigungsbehörde ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung schlicht ausgewichen", kritisiert Spielmann. Im Hauptsacheverfahren müsse dies jedoch ebenso gewürdigt werden wie die gravierenden Abwägungsmangel, die die Planung im Hinblick auf die Grundeigentumsrechte des BUND aufweise.

"Geradezu grotesk" ist nach Spielmanns Worten die vom Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren vertretene Auffassung, daß die ICE-Strecke die Öffentlichkeit erheblicher berühre als die ökologischen Schäden einer neu gebauten Autobahn und damit die gemeinsame Planfeststellung beider Projekte durch das Eisenbahnbundesamt gerechtfertigt sei. Auch diese "abenteuerliche Argumentation" werde das Gericht im weiteren Klageverfahren erneut begründen müssen, so der BUND.

Es sei bedauerlich, daß sich das Bundesverwaltungsgericht mit den rechtlichen Einwänden des BUND nicht im Detail auseinandergesetzt habe, als es den Baustopp verweigerte: "Bedenklich ist, daß sich das Gericht, wie des öfteren in letzter Zeit, weder zu einer detaillierten Sachprüfung veranlaßt gesehen noch die von ihm getroffenen Feststellungen überhaupt begründet hat", resümiert Spielmann. Dies resultiere nicht zuletzt daraus, daß das Bundesverwaltungsgericht  - normalerweise die letzte Instanz - durch die sogenannten Beschleunigungsgesetze gezwungen sei, nicht nur Rechtsfragen zu entscheiden, sondern auch den objektiven Sachverhalt zu ermitteln. Für diese meist schwierige Aufgabe sind üblicherweise die darauf spezialisierten Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte der Länder zuständig. 

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