Europäischer Gerichtshof rügt Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – Thüringer Gebiete ebenfalls betroffen

20. November 2024 | Naturschutz, BUND

Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesrepublik Deutschland wegen schwerwiegender Defizite bei der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) gerügt. In seinem Urteil vom 14.11.2024 stellte dieser fest, dass Deutschland es versäumt hat, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Lebensraumtypen Flachland-Mähwiesen und Berg-Mähwiesen ausreichend zu schützen. Das Gutachterbüro Schreiber Umweltplanung hat der Beschwerdeführerin inhaltlich zugearbeitet.

„Besonders schwer wiegt der Umstand, dass das Urteil einen allgemeinen und strukturellen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot anerkannt hat“, sagt Laura Apel, Mitarbeiterin von Schreiber Umweltplanung. „Die Kommission konnte in einer Vielzahl von Fällen und nahezu im gesamten Bundesgebiet Bestandsrückgänge anhand offizieller Dokumente belegen. Auch Thüringer FFH-Gebiete sind betroffen“, so Apel weiter.

Für die zukünftige Bedeutung dieses Urteils wird entscheidend sein, wie der EuGH die Regeln für die Bewirtschaftung in FFH-Gebieten beurteilt, welche die Lebensräume verschlechtern könnten. Das Urteil verdeutlicht, dass vertragliche Vereinbarungen und unverbindliche Managementplanung vielerorts nicht ausreichen, um den Anforderungen gerecht zu werden. „In vielen Fällen dürften Anpassungen der Schutzgebietsverordnungen erforderlich werden“, sagt Apel.

In Thüringen stellt sich das Bild aber sehr differenziert dar. Während Flachland-Mähwiesen einen Zuwachs von über 950 Hektar aufweisen, ist der Verlust von Berg-Mähwiesen von ca. 180 Hektar nicht von der Hand zu weisen. Allerdings hat der EuGH in seinem Urteil dargelegt, dass die Zu- und Abnahmen gebietsspezifisch zu betrachten sind. Die in einem Gebiet festgestellten Verschlechterungen können nicht, wie Deutschland bisher angenommen hatte, durch Verbesserungen in anderen Gebieten ausgeglichen werden. In Thüringen betrifft das unter anderem Gebiete wie „Thüringer Wald zwischen Kleinschmalkalden und Tambach-Dietharz“ oder „Große Luppe-Reinsberge-Veronikaberg“. Doch Thüringen hat bundesweit sehr gute Voraussetzungen, der Anlastung aus Brüssel zu begegnen.

„Thüringen ist mit seinem Netzwerk Natura 2000-Stationen den anderen Bundesländern einen Schritt voraus“, sagt Sebastian König, Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen. „Durch die zwölf Natura 2000-Stationen vor Ort werden Bewirtschafter beraten und Projekte angestoßen. In einigen Gebieten wurden zudem bereits im Rahmen der Managementplanung sogenannte Entwicklungsflächen für die betroffenen Lebensraumtypen ausgewiesen. Das bedeutet, dass der Freistaat schnell reagieren und dem Verlust aktiv entgegengewirkten kann“, so König weiter.

Doch was heißt das für Deutschland und Thüringen? Zunächst erinnert der EuGH die Mitgliedstaaten mit diesem Urteil an ihre Pflicht, die Biodiversität und den Naturschutz konsequent und wirksam zu fördern. Deutschland steht nun in der Pflicht, die Versäumnisse aufzuholen. Sollte die Antwort Deutschlands nicht befriedigend ausfallen, droht eine Verurteilung mit Strafzahlungen in Millionenhöhe.

Der BUND Thüringen fordert daher den Freistaat auf, seine Hausaufgaben zu erledigen und den Anforderungen der Kommission gerecht zu werden. Zudem sieht sich der BUND mit dem Urteil darin bestätigt, dass es neben dem kooperativen Naturschutz auch ein gewisses Maß an Ordnungsrecht bracht, um unsere Natur nachhaltig zu schützen.

 

Hintergrund:

Nachdem die EU-Kommission eine Verschlechterung der Lebensraumtypen 6510 („Magere Flachland-Mähwiesen“) und 6520 („Berg-Mähwiesen“) in FFH-Gebieten Deutschlands festgestellt hatte, richtete sie im Mai 2018 ein Schreiben an die Bundesrepublik Deutschland. Im Laufe des Verfahrens stellte die Kommission einen Flächenverlust in einer erheblichen Anzahl von, die Lebensraumtypen 6510 und 6520 umfassenden, Gebieten in Deutschland fest. Sie stellte ferner fest, dass keine verbindlichen rechtlichen Maßnahmen ergriffen worden seien, um die angemessene Überwachung dieser Gebiete zu gewährleisten oder sie vor fehlerhaften Bewirtschaftungsmethoden zu schützen. Die artenreichen Mähwiesen können insbesondere durch intensive Bewirtschaftungsmethoden (wie zu frühe Mahd oder starkes Ausbringen von Düngemitteln) oder auch zu wenig Nutzung geschädigt werden. Deutschland war in seinen Antworten der Ansicht, dass die Rüge der Kommission unbegründet sei. Am 31. Januar 2023 reichte die EU-Kommission schlussendlich Klage beim EuGH ein. Mit seinem Urteil vom 14.11.2024 stellt dieser einen allgemeinen und strukturellen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot fest.

Das Gutachterbüro Schreiber Umweltplanung aus Bramsche hat im Auftrag der Beschwerdeführerin inhaltlich und bei der Recherche der offiziellen Daten zur Ermittlung der von Flächenverlusten zugearbeitet.

 

Mehr Informationen:

Schlussantrag des Generalanwalts: Rechtssache C-47/23

Pressekontakt:

Anne Werner | Kerstin Neumann, BUND Thüringen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 0361 5550314; Mobil: 0176 13338564 oder 0176 13338510, presse(at)bund-thueringen.de

 

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