Landesverband Thüringen e.V.
Mitglied werden Jetzt spenden
Landesverband Thüringen e.V.

A81 durch den Thüringer Wald – Aufschwung Ost mit der Brechstange?!

29. Dezember 1992

Eine wichtige Aussage aus einer 1983 vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebenen Studie lautet: "Entwicklung von Gewerbe und Industrie in strukturschwachen Räumen läßt sich nicht über den Straßenbau initiieren."
Bereits jetzt sprechen einige Indizien dafür, daß in Thüringen auch ohne den umstrittenen Fernstraßenbau eine positive Strukturentwicklung beginnt. So sind bereits jetzt schon zahlreiche Gewerbegebiete mit Investoren belegt, die Zahl der Kommunen, welche ausschließlich am staatlichen Fördertropf hängen, wird sich in absehbarer Zeit verringern. Desweiteren registrieren Fremdenverkehrsverbände für die diesjährige Saison besonders im Bereich des Thüringer Waldes wider Erwarten viele Buchungen.
Vielen Landes-und Kommunalpolitikern scheinen diese Signale aber nichts zu bedeuten. Sie halten mit Standhaftigkeit an ihrer Auffassung fest, daß nur eine Autobahn einen wirtschaftlichen Aufschwung bringe. Mit Begriffen wie "kleine Autobahn" oder "Waldautobahn" wird der Öffentlichkeit ein umweltverträgliches Projekt vorgegaukelt. Die Begrenzung der Entwurfsgeschwindigkeit auf 100 km/h im Bereich des Thüringer Waldes feiert die Landesregierung als einen Akt ihrer ökologischen Kompromißbereitschaft. In Wirklichkeit aber erzwangen die topographisch schwierigen Bedingungen dieses Zugeständnis.

Neue Verkehrsströme durch Thüringen

Die Argumentation der Befürworter geht meist von der absurden Annahme aus, daß das Verkehrsprojekt "Deutsche Einheit, Nr. 16" einen spürbaren Entlastungseffekt auf den jetzigen Straßen mit sich bringt. Dagegen sprechen eindeutig die offiziellen und auch unabhängigen Verkehrszählungen. Danach ist derzeit der Verkehr auf den Straßen Thüringens zu mehr als 80 % dem regionalen Ziel-, Quell-und Binnenverkehr zuzuordnen. Als Transitachsen kommen lediglich die A 4 (Frankfurt/Dresden) und die A 9 (Nürnberg/Berlin) in Betracht. Die neu geplanten Trassen zwischen Schweinfurt bzw. Bamberg und Erfurt werden aller Voraussicht eine enorme Anziehungskraft für Transitverkehrsströme eines großen Einzugsbereiches ausüben. Diese Entwicklung ist verkehrspolitisch geradezu programmiert, was durch die Prognosen zum zukünftigen Verkehrsaufkommen (Broschüre des BMV) klar verdeutlicht wird.

Schwerwiegende Folgen für Mensch und Natur

Auf Grund bestehender Siedlungs-und Geländestrukturen werden im Trassenverlauf auf Thüringer Seite wenigstens 40 Gemeinden unmittelbar von der A 81 betroffen sein. In mehreren Fällen wird sich die Autobahn bis auf wenige hundert Meter den Wohnbereichen nähern. Die damit verbundene Lärm-und Abgasbelastung führt damit zwangsläufig zu einer drastischen Verschlechterung der Lebensqualität von vielen tausend Anwohnern.
Projektbegleitende Infrastrukturmaßnahmen führen bereits jetzt schon zu spürbaren Eingriffen in den Naturhaushalt bisher verschonter Regionen. Zahlreiche Steinbruchbetreiber erheben allein im Kreis Meiningen Flächenansprüche von insgesamt 400 ha. So soll nach jüngsten Informationen der Große Gleichberg, inmitten eines neu ausgewiesenen Naturschutzgebietes gelegen, dem Bau der A81 geopfert werden.
Thüringen ist das vom Waldsterben am stärksten betroffene Bundesland in Deutschland. Die offiziellen Statistiken ergeben ein niederschmetterndes Bild. 54% aller Bäume waren 1992 mittelstark bis stark geschädigt. Bei der Buche konnten nur noch 3 von 100 Altbäumen als gesund eingestuft werden. Als Gipfel der Irritation ist in diesem Zusammenhang die Reaktion von Landwirtschaftsminister Sklenar zu bewerten. Dieser glaubt tatsächlich an eine spürbare Schadstoffentlastung durch eine Autobahn im Thüringer Wald und damit als ein Mittel gegen das Waldsterben.

Bürger erkennen die Gefahr

Die Autobahnpläne der Bundesregierung stoßen in Thüringen keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. In einigen Gemeinden (z.B. im Landkreis Meiningen drei Gemeinden: Queienfeld, Ritschenhausen, Sülzfeld) liegen Beschlüsse gegen die A81 vor, entsprechende Petitionen wurden nach Bonn weitergeleitet. 24 000 Bürgerinnen und Bürger aus Thüringen und Franken haben sich mit ihrer Unterschrift gegen das Verkehrsprojekt "Deutsche Einnheit - Nr. 16" und für die Sanierung des vorhandenen Straßennetzes, den Ausbau vorhandener Bundesstraßen und für Ortsumgehungen für besonders belastete Gemeinden ausgesprochen. Außerdem sprechen sie sich für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs und die Elektrifizierung und den zweigleisigen Ausbau der Eisenbahnlinie Würzburg-Erfurt aus.
Unsere Erfahrungen zeigen aber auch, daß ein Großteil der Menschen den staatlichen Planungen ohnmächtig gegenübersteht, auch wenn es gegen ihre eigenen Interessen geht. Deshalb betrachten wir es als unsere Aufgabe, die Bürger zum entschlossenen Widerstand zu mobilisieren, weil es um nicht weniger geht, als um die Wahrung demokratischer, im Grundgesetz verankerter, Elementarrechte.

Wertvolle Naturräume Thüringens durch weitere Großprojekte bedroht

Neben der A81 sollen in Thüringen drei weitere Autobahnen neu gebaut werden. Dazu zählen die A82 (Südharzautobahn), die A44 (Kassel/Eisenach) und die A73 (Bamberg/Suhl). Mit ebenfalls verheerenden ökologischen Folgen ist beim Bau der ICE-Neubaustrecke Lichtenfels/Erfurt, quer durch den Thüringer Wald, zu rechnen.
Ein gigantisches Pumpspeicherwerk westlich von Neuhaus am Rennweg sowie die Talsperre Leibis mit der höchsten Staumauer Deutschlands, beide im Thüringer Schiefergebirge gelegen, sind weitere Beispiele im Verbund der Superlation der Naturzerstörung. Beiliegende Karte veranschaulicht die Lage dieser Projekte. Dabei wird deutlich, wie hemmungslos Naturräume mit gesetzlichem Schutzstatus der Industrialisierung geopfert werden sollen. 

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb