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Lebensraum des Monats August 1995: Tongrube

01. August 1995 | Lebensräume, Naturschutz, Flüsse & Gewässer

Eisenach. Der Abbau von Ton greift zunächst erheblich in die Natur ein. Dadurch werden Lebensräume von bestehenden Tier- und Pflanzengesellschaften nachhaltig beeinflußt. Überläßt man jedoch diese ehemaligen Abbaugruben sich selbst, so entstehen wertvolle Biotope ganz anderer Art. Diese Gruben sind ein nebeneinander von trockenen und feuchten, sonnigen und schattigen, vegetationslosen und bewachsenen Flächen. Steilwände, Abraumhalden, Mager- und Trockenflächen wechseln mit größeren und kleineren Gewässerflächen. Gerade durch diese Vielfalt auf einer relativ kleinen Fläche entsteht ein buntes Biotop.

Seltene Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die sonst keinen geeigneten Platz mehr finden, entstehen. Die Abbaugruben sind Wärmeinseln, auf denen sich besonders Reptilien-, Amphibien- und Insektenarten wohlfühlen. Die Geburtshelferkröte, die Kreuzkröte, der Grünfrosch oder die in Thüringen vom Aussterben bedrohte Gelbbauchunke finden hier einen Platz zum Leben. Sie wurden aus ihren ursprünglichen Lebensräumen zum Beispiel Flußaltarme verdrängt. Oftmals sind es magere und nährstoffarme Standorte die diese Tiere bevorzugen. Durch die allgemein zunehmende Nährstoffanreicherung im gesamten Naturhaushalt, beispielsweise durch Dünger, gewinnt damit eine solche Grube mit ihrer Nährstoffarmut ganz besonders an Seltenheitswert. Aus diesen Gründen sind Tongruben neben Lehm-, Löß-, Sand- oder Kiesgruben laut § 18 des Thüringischen Naturschutzgesetzes geschützt.

Tongrube in Bollstedt bei Mühlhausen
Für den Erhalt der Tongrube in Bollstedt setzt sich der BUND Kreisverband Unstrut-Hainich ein. Auf dem etwa 15 Hektar großen Gebiet findet seit 1935 Tonabbau statt.
Das Profil dieser Tongrube dokumentiert die Landschaftsentstehung des Mühlhäuser Beckens zu Beginn der letzten Kaltzeit. Es zeigt eine etwa sechs Meter mächtige Lößdecke, die mit begrabenen Bodenhorizonten überlagert ist. Der Schilfsandstein in der Profilwand enthält Fossilien einer Sumpfflora die 195 Millionen Jahre vor unserer Zeit entstanden ist. In Nordthüringen ist dieses Profil innerhalb der quartären Abfolgen einmalig. Es war deshalb geplant, die Tongrube wegen ihrer geologischen Bedeutsamkeit für Lehr- und Forschungszwecke zu nutzen, auch weil sie sehr anschaulich das Landschaftsgefüge darstellt. Ein Teil der Tongrube von 0,1 Hektar ist als Flächennaturdenkmal ausgewiesen.

Besonderes Tier der Tongrube Bollstedt: Die Geburtshelferkröte
Man schätzt, daß sich in der Tongrube Bollstedt das größte Vorkommen der Geburtshelferkröte im ganzen Kreis befindet. Die vom Aussterben bedrohte Kröte erreicht in Thüringen ihre östlichste Verbreitungsgrenze. Die Tiere sind hauptsächlich nachtaktiv, rufen jedoch auch tagsüber aus ihren Verstecken. Sie geben Geräusche ähnlich kleiner Glöckchen von sich, weshalb sie auch Glockenfrosch genannt werden. Sonnenexponierte, nur schütter bewachsene Böden mit grabbarem Material oder Unterschlupfmöglichkeiten in deren engster Nachbarschaft ein Gewässer liegt, sind für sie ein idealer Lebensraum. Zum Laichen bevorzugt die Geburtshelferkröte ein sonniges und weitgehend vegetationsarmes Gewässer. Zwischen April und August legen die Weibchen 20 bis 80 Eier ab. Das Männchen wickelt sich dann die Laichschnüre um seine Hinterbeine. Nach 3 bis 6 Wochen, wenn die Larven schlüpfreif sind, sucht es dann ein Gewässer auf und streift den Laich ab, währenddessen die Larven meist schlüpfen. Die Umwandlung der Larven erfolgt oft erst nach der Überwinterung im nächsten Jahr. Den Winter verbringen die Tiere in selbstgegrabenen bis zu 5 Meter tiefen Höhlen oder in natürlich gegebenen Schlupfwinkeln.

BUND Kreisverband Hainich-Unstrut für den Erhalt der Tongrube
Die Tongrube Bollstedt bot diese idealen Lebensbedingungen für die Lurche und für viele andere Lebewesen. Jedoch entstand 1979 der Plan eine Hausmülldeponie im Gebiet der Tongrube Bollstedt einzurichten. Bis etwa 1990 wurde dann dort illegal Müll abgelagert. Bereits dadurch wurden einzelne Grubengewässer schädlich beeinträchtigt. An dem Plan eine Hausmülldeponie einzurichten, wurde auch später festgehalten und 1992/93 die "Tongrube Bollstedt" ohne Beschluß des Kreistages und ohne Befragung oder Information der Umweltverbände in Vorbereitung der Deponieeinrichtung zu einem großen Teil, darunter auch das Flächennaturdenkmal, vernichtet. Doch nicht alles wurde zerstört, derzeit befinden sich noch Tiere im südlichen Teil des Tongrubengebietes. Erst im Mai 1993 kam dann der "Planfeststellungsbeschluß über die Errichtung und den Betrieb der Kreisdeponie für Siedlungsabfälle Bollstedt" durch das Thüringer Landesverwaltungsamt mit der Auflage, die Grubengewässer im südlichen Teil des Grubengeländes als Amphibienbiotope zu erhalten.
Erst durch öffentlichen Druck über die Medien und durch wiederholte Schreiben des BUND Unstrut-Hainich an das Umweltamt und vor allem das Abfallwirtschaftsamt ist ein Bemühen zumindest des Umweltamtes festzustellen, den Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses besser zu entsprechen und Maßnahmen zur Sicherung der Lurchpopulation einzuleiten.
Bei einem Ortstermin versicherten Vertreter des Umweltamtes, wieder für ausreichende Lebensbedingungen der Tiere zu sorgen. Noch sind diese Versprechungen nicht in die Tat umgesetzt und die Lurche sind weiterhin bedroht, zusätzlich jetzt auch noch durch das Abpumpen des Grubenwassers.
Der BUND in Mühlhausen wird weiterhin wachsam sein und sich dafür engagieren, daß die Tongrube Bollstedt als Lebensraum u.a. für Lurche erhalten bleibt.

Für Rückfragen: Eberhart Lehnert BUND Unstrut-Hainich  Tel.: 0361/7398219 d., 03601/72546 p.

Seit 1988 wird das Schicht- und Niederschlagswasser aus der Grubensohle über eine Rohrleitung in einen Tümpel gekippt. Der Wasserstand hatte sich dadurch stabilisiert und die Lurche konnten sich wieder ungehindert fortpflanzen.
Beim Abpumpen des Grubenwassers wurden tausende von Lurchlarven und eine größere Anzahl von erwachsenen Tieren vernichtet.
Nicht nur, daß das Landschaftsbild verändert wird, gleichzeitig werden auch die geologischen Verhältnisse und das Bodenprofil gestört, der Wasserhaushalt wird beeinträchtigt, das Mikroklima ändert sich und die Lebensräume von bestehenden Tier- und Pflanzengesellschaften werden nachhaltig beeinflußt. 

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