Landesverband Thüringen e.V.
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Hohe Schrecke - alter Wald mit Zukunft

Waldwildnisgebiete

Der unabhängige Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät, fordert in seinem jüngsten Gutachten mehr Waldwildnis auf großer Fläche für Deutschland und liefert hierfür zahlreiche auch volkswirtschaftliche Argumente.

Wozu brauchen wir Wildnis im Wald?

Buchenwälder haben ursprünglich rund zweidrittel der Fläche von Deutschland bedeckt. Heute nehmen sie noch 5% der Landesfläche ein. Buchenwälder, welche nicht forstwirtschafltich genutzt werden, nehmen nur noch 0,2% des ursprünglichen Buchenareals ein.
Viele Tier- und Pflanzenarten sind jedoch auf Naturwälder angewiesen, in denen alle Waldentwicklungsstadien repräsentiert sind und Bäume alt werden dürfen und nicht bereits im jugendlichen Alter gefällt werden. Nur in großflächig ungenutzten Waldlebensräumen bildet sich das spezifische Flächenmosaik aus dynamisch wechselnden Waldentwicklungsstadien, welches vor allem für sogenannte Urwaldarten die Nischen zum Überleben bietet. Nur in großflächig zusammenhängenden, nutzungsfreien Waldflächen kann die Vielfalt der Waldarten dauerhaft gesichert werden.

Lebensraum Wald

Der Wald braucht unsere Hilfe. Ganze Bestände brechen zusammen. Aber nicht nur der Klimawandel, auch die intensive Forstwirtschaft sowie Schadstoffeinträge aus Verkehr und Landwirtschaft machen dem Wald seit Jahren zu schaffen. Gemeinsam können wir uns für eine neue Waldstrategie stark machen. Zukunftsfeste Wälder dürfen nicht mehr als Rohstofflieferanten betrachtet werden, sondern als Lebensräume.

Fragen und Antworten zu einem Wildnisgebiet auf dem Possen (Hainleite)

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Wo steht das eigentlich mit dem Possen und der Waldwildnis?

Auszug rot-rot-grüner Koalitionsvertrag S. 38:
„Die Landesregierung wird im Verlauf dieser Legislaturperiode aufbauend auf dem von der bisherigen Landesregierung verfolgten 25.000-Hektar-Ziel mindestens 5 Prozent des Waldes in Thüringen dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entziehen.
Zur qualitativ anspruchsvollen Absicherung dieses Ziels werden mindestens drei großflächige Gebiete (insbesondere der Bereich Vessertal, Bereich Wartburg-Inselsberg, Bereich Hainleite/Possen) aus der Nutzung genommen; auf die Anrechnung weiterer sehr kleiner Flächen bzw. von Einzelbäumen wird verzichtet.“
Bereits mit der Errichtung der Landesanstalt ThüringenForst 2011 wurde in der Präambel die Nutzungsfreistellung von 25.000 Hektar Wald und damit 5 % des Waldes in Thüringen festgehalten. Die rot-rot-grüne Landesregierung gibt einen konkreten Fahrplan vor, der eine Umsetzung dieses Ziels bis 2019 vorsieht.

Warum sind Buchenwälder so schützenswert?

Naturnahe Laubwälder, insbesondere Buchenwälder, gehören zu den ursprünglichsten Ökosystemen in Mitteleuropa. Von den klimatischen Verhältnissen begünstigt, bedeckten sie nach der letzten Eiszeit weite Teile des Kontinents. Heute ist Deutschland nur noch zu ca. 30 % mit Wald bedeckt. Dabei wurden die ursprünglichen Laubmischwälder überwiegend in Nadelholzforste umgewandelt. Das einst großflächige Buchenareal Deutschlands ist auf einen Restbestand von weniger als 5% der ursprünglichen Fläche geschrumpft. Alte Buchenwälder über 160 Jahre nehmen nur noch 0,27% der Landesfläche ein. Insbesondere für den Schutz der europäischen Rotbuchenwälder trägt Deutschland eine globale Verantwortung. Rotbuchenwälder gibt es nur in Europa und Deutschland beherbergt ein Viertel des Weltverbreitungsareals der Rotbuche (Fagus sylvatica).

Was macht den Possen so besonders?

Als Teil der Hainleite bildet der Possen ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den urwaldartigen Buchenwäldern der Hohen Schrecke und dem Nationalpark Hainich. Er liegt im Naturpark Kyffhäuser und gehört zum EU-Vogelschutzgebiet „Hainleite-Westliche Schmücke“ sowie zum FFH-Gebiet „Hainleite-Wipperdurchbruch-Kranichfeld“. Durch die Nutzungsfreistellung von 2.500 Hektar Wald im Possenwald kann in Thüringen eine Kette von Urwaldgebieten entstehen, die bisher in Deutschland einzigartig ist und ein hohes Potenzial nicht nur für den Artenschutz, sondern auch für „grünen“ Tourismus birgt. Die Lebensräume am Possen sind mit großflächig zusammenhängenden Waldmeister- und Orchideen-Kalk-Buchenwälder bestanden. Das ist typisch für die klimatischen Verhältnisse der Region. Der Possenwald beherbergt zudem eine Vielzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Unter anderem bildet der Possen ein Schwerpunktvorkommen des gefährdeten Hirschkäfers.
Und besonders herausragend: das Gebiet ist unzerschnitten und bietet deshalb die beste Voraussetzung für ein Waldwildnisgebiet. Deshalb wurde das Gebiet Bestandteil des EU-Vogelschutzgebietes Hainleite-Westliche Schmücke und des FFH-Gebietes Hainleite-Wipperdurchbruch-Kranichfeld. Der als FFH-Gebiet geschützte Teil des Possenwaldes hat eine Gesamtfläche von ca. 3.300 ha.

 

Warum soll am Possen auf einer Fläche von 2.500 ha Waldwildnis entstehen?

Der natürliche Entwicklung in mitteleuropäischen Laubwäldern ist gekennzeichnet durch Verjüngungsphase, Jugendphase, Optimalphase, Terminalphase und Zerfallsphase. Im Wirtschaftswald wird dieser Zyklus spätestens in der Optimalphase und einem Baumalter von etwa 150 Jahren unterbrochen. Dann werden die Bäume geerntet. In diesem Alter haben Buchen aber erst etwa ein Drittel ihrer natürlichen Lebensspanne erreicht. Der größte Teil der natürlichen Waldentwicklung wird im normalen Forstbetrieb daher unterbunden.
Viele Waldarten sind auf eine vom Menschen unbeeinflusste, natürliche Waldentwicklung angewiesen, in der alle Waldstadien repräsentiert sind. In Thüringen sind z.B. eine Vielzahl holzbewohnender Arten („Xylobionten“) entweder ausschließlich oder überwiegend in ihrem Vorkommen auf den Nationalpark Hainich beschränkt. Auch die Wildkatze hat in Thüringen ihren Verbreitungsschwerpunkt im Nationalpark.
Ausschlaggebend hierfür ist der Totholzreichtum, welcher sich erst in reifen Waldökosystemen ausbildet. Die für Naturwälder charakteristischen teils mächtigen Totholzmengen in allen Zerfallsstadien sind die Basis für die Regeneration der Waldböden.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die sogenannte Patchiness urwaldartiger Bestände. Nur in großflächig ungenutzten Waldlebensräumen bildet sich das spezifische Flächenmosaik aus dynamisch wechselnden Waldstadien, welches vor allem für Urwaldarten die Nischen zum Überleben bietet. Thüringen verfügt zwar bereits über ein Netz von Naturwaldparzellen inklusive der Kernzonen in den Biosphärenreservaten, welches die unterschiedlichen Waldstandorte Thüringens repräsentiert. Die durchschnittliche Flächengröße dieser Parzellen liegt aber unter 100 ha. Die größte, zusammenhängende nutzungsfreie Waldfläche bildet zur Zeit der Nationalpark Hainich.
Nach internationalen Expertenempfehlungen („Wild Europe Initiative“) wird für Deutschland aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten für Wälder eine Mindestgröße von 1.000 Hektar als Fachstandard definiert. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) fordert in seinem jüngsten Umweltgutachten „Impulse für eine integrative Umweltpolitik vom 10.05.2016 U mehr Raum für Wildnisgebiete auf großer Fläche in Deutschland.

Widerspricht der Nutzungsverzicht den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes?

Nein! Wertvolle, gemeldete FFH-Lebensräume (Steppenrasen, Kalktrockenrasen, Eichen-Hainbuchenwälder) würden aufgrund der natürlichen Waldentwicklung verschwinden.
Die von einer möglichen Sukzession betroffenen FFH-Lebensräume liegen überwiegend am nördlichen Rand des Waldgebietes. Bei Auswahl der der 2.500 ha Kulisse für den Nutzungsverzicht, kann diese so gelegt werden, dass sensible FFH-Offenlandlebensräume und Eichenwälder nicht betroffen sind.

Verträgt sich die Urwaldentwicklung mit einer touristischen Entwicklung?

Ja! Das Freizeitzentrum Possen gehört mit jährlich 300.000 Besucher*innen zu den wichtigsten touristischen Leuchttürmen in Thüringen. Erfahrungen aus dem Nationalpark Hainich und anderen Nationalparken zeigen, dass auch bei Verzicht auf Holznutzung eine touristische Erschließung des Waldes problemlos möglich ist. Im Nationalpark Hainich gib es kein Wegegebot. Daher soll auch für einen Possen-Urwald das Prinzip gelten: Jeder Fußgänger darf zu jedem Zeitpunkt an jeden Ort im Urwald.
Dadurch wird gewährleistet, dass die Menschen die Entwicklung im Possen vom bewirtschafteten Wald zur Waldwildnis selbst jederzeit und an jedem Ort erleben und erfahren können.
Der Tourismusverband des Kyffhäuserkreises befürwortet daher ausdrücklich den forstlichen Nutzungsverzicht auf 2.500 ha als Chance für die touristische Weiterentwicklung der gesamten Region.

Schadet das Konzept des Nutzungsverzichtes der heimischen Holzindustrie?

Nein! Es sind genug Ressourcen vorhanden, um den Bedarf der Holz- und Sägewerke zu decken. Denn nach Angaben von ThüringenForst werden zur Zeit 76% des Zuwachses in Thüringen genutzt. Dabei liegt die Konzentration auf der Fichte. Damit werden 60% der Einnahmen erwirtschaftet und nicht im Laubholz.
Nach Ergebnissen der Bundeswaldinventur von 2012 ist der Holzvorrat im Staatswald um 15% höher als bei der letzten Inventur.
Seit 2006 wurden zudem im Rahmen der Privatwaldmobilisierung 15.700 ha Wald von privaten Eigentümern wieder in Nutzung gebracht.

Führt der Verzicht auf Holznutzung in Deutschland zur verstärkten Ausbeutung tropischer Regenwälder?

Nein! Beim Verzicht auf die Holznutzung auf 5% der Waldfläche in Deutschland stehen immer noch 95% der Wälder für eine nachhaltige und naturnahe Nutzung zur Verfügung. Ein Engpass in der Versorgung mit dem Rohstoff Holz ist in Deutschland nicht zu erwarten. Im Gegenteil: in Deutschland wird mehr Laubholz eingeschlagen, als im eigenen Land verbraucht wird. Das eingeschlagene Holz geht daher in den Export in andere Länder.
Insgesamt müssen wir mit dem wertvollen Rohstoff Holz deutlich nachhaltiger umgehen. Derzeit wird rund die Hälfte des in Deutschland geernteten Holzes direkt ohne vorherige Kaskadennutzung verbrannt. Das muss sich ändern. Der ökologisch so wertvolle, jedoch sehr langsam nachwachsende Rohstoff Holz ist dafür zu wertvoll!

Schmälert ein Nutzungsverzicht im Staatswald die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von ThüringenForst?

Nein! Bereits im Errichtungsgesetz von ThüringenForst ist in der Präambel der Nutzungsverzicht auf 25.000 ha Wald festgesetzt, was in etwa 5% des Waldes in Thüringen entspricht:
„Um die hohe Bedeutung des Naturschutzes im Freistaat Thüringen angemessen zu würdigen, werden zudem bis Ende 2012 25 000 Hektar Wald identifiziert und danach forst- und naturschutzfachlich so gesichert, dass spätestens 2029 die notwendigen Waldumbaumaßnahmen abgeschlossen und die forstwirtschaftliche Nutzung beendet sein werden.“
Ebenso wurde festgeschrieben, dass künftig für Maßnahmen des Naturschutzes oder des Tourismus Flächen von der forstlichen Nutzung ausgenommen werden, hat die Landesforstanstalt keinen Anspruch auf Erstattung des Nutzungsausfalls gegenüber dem Land.
In seiner Eröffnungsbilanz hat ThüringenForst den Wert des stehenden Holzes zum 01.01.2012 mit 1,278 Mrd. Euro bewertet. Erst nach der Einrichtung von ThüringenForst ist die Bundeswaldinventur durchgeführt worden. Diese hat ergeben, dass der Holzvorrat im Staatswald Thüringens 15% höher ist, als bei der Einrichtung von ThüringenForst angenommen. Damit ist rein rechnerisch der Wert des stehenden Holzes um 192 Mio. Euro gestiegen.

Ansprechpartner Landesarbeitskreis Wald

Frank Henkel

Vorsitzender
E-Mail schreiben Tel.: 0361/5550310

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