Magdeburg. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat gestern einen Eilantrag gegen die genehmigten Probebohrungen im Südharz an das Verwaltungsgericht in Halle versendet. Es verwundert, dass die vom Landrat angekündigte gleichzeitige Benachrichtigung der anerkannten Naturschutzverbände und der Abbaufirma so aussieht, dass der BUND erst gestern das Genehmigungsschreiben erhielt, während Beauftragte der Firma Knauf bereits am Dienstag an einigen Bohrpunkten Markierungsarbeiten ausführten und inzwischen massive Geräte in Position brachten.
Christian Kunz, Landesgeschäftsführer BUND Sachsen-Anhalt: „Die aktuellen Beschwichtigungen, es seien nur Probebohrungen und kein Abbau, sind Augenwischerei. Sobald erst einmal gebohrt und ein erträgliches Gipsvorkommen nachgewiesen wurde, ist die Naturzerstörung besiegelt.“
Kunz bezieht sich konkret auf den Passus im Koalitionsvertrag der schwarz-rot-gelben Koalition in Magdeburg: ‚Gips-Lagerstätten in Sachsen-Anhalt (sollen) gesichert sowie deren umweltverträgliche Gewinnung ermöglicht werden.‘
Der Landesgeschäftsführer des Naturschutzverbands erläutert: „Die Unterzeichner des Koalitionsvertrags ignorieren konsequent wichtige Dokumente des Bundes. Der LANA-Umlaufbericht 2021-14 im Auftrag der Umweltministerkonferenz hat bereits vor dem Koalitionsvertrag im Januar 2021 ausführlich niedergeschrieben, dass ein Gipsabbau im Südharz irreversible Zerstörung von Landschaftsbild, Böden und Biotopen nach sich zieht und nicht ausgleichbar ist. Ein Abbau von Gips ist im Gipskarst nicht umweltfreundlich umsetzbar.“
Der Austausch zwischen Politik und der Firma Knauf mutet sehr eng an, wird doch Gips unisono als Dämmmaterial ohne Alternative in der EU propagiert. Über Stroh- und Lehmbauplatten als preiswerte Alternative zum herkömmlichen Trockenbau, die in weit über 40 Baumärkten in Deutschland erhältlich sind und die die im Koalitionsvertrag gelobte Unterstützung von klein- und mittelständischen Unternehmen befördern, wird leider nicht gesprochen. Auch nicht darüber, dass Gipsplatten gar kein Dämmmaterial sind!
Brisant ist auch, dass sich vier der sieben Bohrpunkte als Bohrflächen entpuppen – und sich allesamt im FFH-Lebensraumtyp „Flachland-Mähwiesen“ befinden. Erst am 14. November 2024 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die dramatische Abnahme dieses Lebensraumtyps systematisch und anhaltend gegen europäisches Recht verstößt. 200 Quadratmeter Flachlandmähwiese je Bohrfläche werden mit den Bohrungen zerstört. Ein nachfolgender Gipsabbau vernichtet dann großflächig diesen europaweit geschützten Lebensraum. Meldet Deutschland nicht ausreichend Flachlandmähwiesen an die EU nach, drohen Geldbußen in Millionenhöhe.
Kunz: „Wir fordern von der Landesregierung, dass sie ihren Verpflichtungen zum Schutz von Lebensräumen nachkommt, speziell auch der Flachland-Mähwiesen, anstatt diese für privatwirtschaftliche Profite zu opfern und die Verhängung von Strafgeldern gegen Deutschland zu befördern. Der BUND ist dank der Unterstützung vieler Bürgerinnen und Bürger sowie befreundeten Organisationen gut gewappnet für ein Gerichtsverfahren, um den Gipskarst im Südharz zu retten.“
Mehr Informationen:
- BUND-Stellungnahme gegen Probebohrungen im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz
- Publikation: Schwarzbuch Gips: Raubbau in der Südharzer Gipskarstlandschaft Thüringens
- Kurzzusammenfassung des Gutachtens "Umweltverträgliche Alternativen zum Abbau von Naturgips"
- www.umweltministerkonferenz.de/umlbeschluesse/umlaufBericht2021_14.pdf (LANA Umlaufbericht 2021-14)
- 3. Gipskarst-Stammtisch am 08.01.2025 ab 18 Uhr in Questenberg, Lokal „Zur Queste“
- BUND-Projekt „Netzwerke für den Gipskarst“
Kontakt:
Christian Kunz, Landesgeschäftsführer BUND Sachsen-Anhalt e.V.
Tel. 0391 5630 7814, Mobil: 0171 1069256, E-Mail: christian.kunz(at)bund-st.de
Pressestelle des Landesverbandes Sachsen-Anhalt:
Luisa Littich, Mobil: 0151 23537190, E-Mail: luisa.littich(at)bund-st.de
Jetzt für den Erhalt der Gipskarstlandschaft spenden!
Die Gipskarstlandschaft Südharz ist ein weltweit einzigartiger Hotspot der Artenvielfalt. Hier finden sich eine Vielfalt an Karstphänomen und Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Trotzdem baggert sich die Gipsindustrie mit schwerem Gerät weiter in die unersetzbare Landschaft. Helfen Sie uns, die Menschen vor Ort aufzuklären und die Gipskarstlandschaft vor weiterem Raubbau zu schützen.