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Umweltverbände und Bürgerinitiativen fordern Alternativen zur Müllverbrennung - Wichtigstes Argument ist die Gebührenschraube

17. Juni 1996 | Ressourcen & Technik, Nachhaltigkeit

"Brauchen wir in Thüringen eine Müllverbrennung ?" - Diese Frage wurde auf dem von BUND Thüringen und QUERDENKEN ausgerichteten, gut besuchten Tagesseminar am vergangenen Samstag in Hausen mit einem klaren "Nein" beantwortet.

Die Referenten, Rechtsanwalt Martin Stichel, Diplomchemiker Dr. Christian Koth und Abfallexperte Dr. Matthias Mann stellten klar, daß im Freistaat noch kein Zwang zur Müllverbrennung besteht. Um jedoch den Weg für Alternativen freizumachen, müssen die bestehenden Abfallgesetze und -verordnungen sowie die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi) einer dringenden Novellierung unterzogen werden. Die TASi sowie die 17. Bundesimmissionsschutzverordnung schreiben unter anderem vor, daß nach dem Jahre 2005 nur noch solche Restabfallentsorgungsanlagen genehmigt werden dürfen, die die Forderung nach Einhaltung des Grenzwertes für den Glühverlust erfüllen. Kritikwürdig dabei ist, daß andere wichtige Parameter, wie zum Beispiel der Schwermetallgehalt in der Schlacke, für die Genehmigung keine Rolle spielen. Die anfallende Schlacke muß zudem wie Sonderabfall behandelt und deponiert werden.

Die Novellierung des Abfallrechtes ist dringend erforderlich, da seit einigen Jahren eine rückläufige Tendenz im Abfallaufkommen zu verzeichnen ist. Der Landesabfallentsorgungsplan des Freistaates basiert im Wesentlichen auf dem dünnen Bein der TASi und auf vagen Zahlen von 1992. Die von Dr. Matthias Mann und Heidrun Osse (Bündnis 90/Die Grünen) erarbeitete Studie "Unser Müll" stellt klar, daß selbst die gegenwärtigen Zahlen zum Abfallaufkommen in Thüringen noch keine gesicherte Grundlage für die Planung von Müllverbrennungsanlagen sein können. Noch gar nicht absehbar sind die Auswirkungen des im Herbst dieses Jahres in Kraft tretenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. "Danach geht der Abfall möglicherweise ganz neue Wege", so Michael Spielmann, Landesgeschäftsführer des BUND.

Die anwesenden Mitglieder des BUND, der Grünen Liga, des NABU Thüringen und weiterer Umweltgruppen und Bürgerinitiativen waren sich darüber einig, daß in der Landesabfallpolitik auf Alternativen zur Müllverbrennung orientiert werden muß. Die Kommunen und Zweckverbände sollten nicht "wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren", bis es kein Zurück mehr für den Bau von Müllverbrennungsanlagen gibt, sondern selbst mit Alternativlösungen beginnen. Eine mögliche Alternative zur thermischen Restabfallbehandlung ist die biologisch-mechanische Abfallaufbereitung oder als Einstieg wenigstens die mechanische Abfalltrennung, da bei diesen
Verfahren deutlich geringere Investitionskosten als bei Müllverbrennungsanlagen anfallen. Die Restabfallbehandlung muß dezentralisiert werden, um flexibler auf Änderungen im Abfallaufkommen reagieren zu können.

Die politischen Aktivitäten der Thüringer Umweltverbände und Bürgerinitiativen müssen jedoch zuallererst auf Abfallvermeidungsstrategien ausgerichtet sein. "Je weniger Müll anfällt, desto schwieriger wird es, Müllverbrennungsanlagen durchzusetzen. Andererseits wird es umso schwieriger, Müll zu vermeiden, je mehr Müllverbrennungsanlagen vorhanden sind. Die Betreiber müssen dann regelrecht um Müllnachschub betteln - es ist ein Teufelskreis, aus dem dann nur noch schwer auszubrechen ist", so Werner Gottstein, Abfallexperte vom BUND Kreisverband Main-Kinzig-Kreis, der seine langjährigen Erfahrungen an die Seminarteilnehmer vermittelte.

Ein wesentliches Argument gegen die Errichtung von thermischen Restabfallentsorgungsanlagen ist schließlich die Gebührenschraube. "Die Bürger Thüringens müssen mit mindestens dreimal so hohen Müllgebühren rechnen, wenn im Freistaat etwa drei Müllverbrennungsanlagen mit einer Jahreskapazität von jeweils über 200.000 Tonnen gebaut werden. Der wesentlichste Grund dafür ist, daß die immensen Investitionskosten für die neuen Anlagen im Abschreibungszeitraum gedeckt werden müssen. Die Chance für Abfallvermeidungsstrategien wäre dann endgültig auf Kosten und zum Leidwesen der Bürger vertan", so Gottstein abschließend. 

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