Erfurt/ Berlin. Zum Internationalen Tag des Luchses am 11. Juni stellt Umweltministerin Siegesmund mit dem BUND Thüringen und den Universitäten Göttingen und Freiburg die Ergebnisse des Forschungsprojektes zur „Ausbreitung des Luchses in Mitteldeutschland“ vor. Das Fazit: Für das langfristige Überleben des Luchses in Mitteldeutschland ist die Vernetzung der Vorkommen im Harz und Ostbayern entscheidend. Dabei hat der Thüringer Wald eine Schlüsselrolle. Ohne aktive Unterstützung bleiben die Populationen auf absehbare Zeit isoliert. Es droht der fortschreitende Verlust genetischer Diversität. BUND und WWF starten ein Projekt, um Perspektiven für den Luchs in Thüringen weiterzuentwickeln. Derzeit ist von rund 10 frei lebenden Luchsen in Thüringen auszugehen.
Dazu erklärt Umweltministerin Siegesmund: „Thüringen hat aufgrund seiner zentralen Lage eine Schlüsselrolle bei der Wiederausbreitung der Luchse in Deutschland. Ich freue mich, dass wir dieses Projekt unterstützen können. Die natürliche Wiederausbreitung im Südharz und Eichsfeld ist ein Erfolg des Artenschutzes, der auch durch die Akzeptanz durch die Jägerschaft erzielt werden konnte. Das am Umweltministerium angesiedelte Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs wird über ein intensives Monitoring die Entwicklung des Luchsvorkommens in Thüringen weiterhin aktiv begleiten. Wir informieren und beraten zur Luchs-Rückkehr – sowohl neugierige Bürgerinnen und Bürger als auch Nutztierhalterinnen und -halter. “
Das abgeschlossene Projekt des BUND wurde vom Umweltministerium mit rund 45.000 Euro unterstützt. Mit dem Folgeprojekt unter Beteiligung des BUND und des WWF soll die Schaffung von Trittsteinpopulationen und die Wiederansiedlung von Luchsen im Thüringer Wald geprüft werden. Zudem soll das in den letzten Jahren durchgeführte Fotofallenmonitoring zum Luchs unter enger Einbindung von ThüringenForst und der örtlichen Jägerschaft weitergeführt und ausgebaut werden.
„Die Ergebnisse der Feldforschung deuten zwar auf einen erfreulichen Ausbreitungstrend der Harzpopulation im Nordwesten Thüringens hin“, so Dr. Burkhard Vogel, Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen. „Gleichzeit legen Computersimulationen nahe, dass es bis zur Besiedlung weiterer geeigneter Lebensräume noch ein langer Weg ist.“ Das gemeinsame Projekt des BUND Thüringen und der Universitäten Göttingen und Freiburg hat die Ausbreitung des Luchses in Mitteldeutschland erforscht. Neben einer Bestandserfassung des Luchses im Nordwesten Thüringens wurde – mit finanzieller Unterstützung des Umweltministeriums – ein Ausbreitungsmodell für den Luchs entwickelt, das die zukünftige Entwicklung des Luchsbestandes zwischen Harz und Bayerischem Wald am Computer simuliert. Prof. Dr. Marco Heurich, Professor für Wildökologie und Wildtiermanagement, Universität Freiburg: „Das Modell zeigt, dass die natürliche Wiederbesiedelung von Lebensräumen wie dem Thüringer Wald ohne aktive Unterstützung auch in 25 Jahren unwahrscheinlich ist.“
Nach Angaben von Heurich liegt das vor allem an dem Verhalten weiblicher Luchse, die nicht so große Entfernungen zurücklegen, wie ihre männlichen Artgenossen. Daher bleiben gelegentlich abwandernde männliche Luchse meist allein, ohne eine Chance, eine neue Population zu gründen. „Die Simulation zeigt auch die Wirkung gezielter Ansiedlung von Luchsen im Thüringer Wald“, so Heurich weiter. „Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Besiedlung könnte bereits in 25 Jahren bei 100 Prozent liegen. Ausgehend vom Thüringer Wald würden auch Nordbayern und Nordhessen besiedelt werden und die Populationen im Harz und in Bayern kämen miteinander in Kontakt. Der für das langfristige Überleben der Populationen notwendige genetische Austausch wäre möglich.“
„Das Modell belegt, dass die Luchse in Deutschland Unterstützung benötigen, um zu überleben“, erklärt Vogel. „Gleichzeitig tritt in den Ergebnissen die zentrale Bedeutung des Thüringer Waldes als ‚Dreh- und Angelpunkt‘ für die Wiederausbreitung des Luchses in Mitteldeutschland deutlich hervor. In 30 bis 50 Jahren könnten ausgehend vom Thüringer Wald auch das Erzgebirge sowie die Rhön und der Spessart dauerhaft mit Luchsen besiedelt werden. Wichtig ist aber, dass wir schnell handeln müssen, um den Verlust genetischer Diversität zu verhindern.“
In dem Folgeprojekt wollen daher der BUND Thüringen und der WWF Deutschland gemeinsam untersuchen, ob neben den günstigen naturräumlichen Bedingungen auch die gesellschaftliche Akzeptanz bei der Bevölkerung und wichtigen Interessensgruppen vorhanden ist, um gegebenenfalls ein Projekt zur Bestandsstützung vorzubereiten. Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz vom WWF Deutschland: „Das Projekt ‚Die Zukunft des Luchses in Thüringen‘ möchte unter Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen eine Perspektive für den Luchs in Thüringen entwickeln. In einer Machbarkeitsstudie wollen wir Wege erarbeiten, wie eine Bestandsstützung der Art in Thüringen gestaltet und ihre Ausbreitung langfristig gesichert werden kann. Im Rahmen seiner Feldarbeit hat der BUND Thüringen bereits eng mit der Jägerschaft und Waldbesitzenden vor Ort zusammengearbeitet. Das wollen wir jetzt ausbauen. Denkbar wäre zum Beispiel ein Luchs-Fotofallenmonitoring im Schulterschluss mit ThüringenForst und der thüringischen Jägerschaft.“