Kommentar des BUND Thüringen und des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) zum Artikel in der Main-Post vom 14./18.02.2025: „Knauf und das umstrittene Gipsbergwerk im Westen Würzburg: Welche Alternativen für den Rohstoff gibt es?“
Die Diskussion über Alternativen zum primären Rohstoffverbrauch sowie zu deren Umsetzung ist wichtiger denn je. Eine effektive Kreislaufwirtschaft und nachwachsende Rohstoffe sollten die Einwegstraße des Abbaus von Mineralien aus der Natur ersetzen, denn diese wachsen nicht nach und werden mit dem Abbau weniger. Im Vergleich zu unseren Nachbarländern wird in Deutschland noch sehr wenig Gips recycelt. In einer Steigerung und Förderung des Gips-Recyclings liegt großes Potential. In einem Video des Berliner Senats lässt sich gut sehen, wie das gelingen kann.
Der REA-Gips aus Entschwefelung der Kraftwerke hat in Deutschland Naturgips kaum ersetzt, jedoch die Gipsproduktion in Deutschland seit 2010 mehr als verdoppelt. Ein hoher Exportanteil von 2 Millionen Tonnen pro Jahr (gut 20 Prozent) war die Folge, ebenso wie die Entwicklung neuer Gipsprodukte (ProMineral GmbH, 1999: REA-Gips in Deutschland und Europa; Kölner Stadtanzeiger 10.09.2001: Auf dem Markt ist jede Menge Gips).
Geht es nach der Gipsindustrie, soll dieses hohe Niveau beibehalten werden. Dabei könnten die Firmen auf entsprechende Alternativen umsteigen. 90 Prozent des Gipses in Deutschland wird in Baustoffen verwendet. Doch Bauen geht auch ohne Gips. Länder ohne Gipsvorkommen, wie beispielsweise Skandinavien, machen dies vor. Die Firmen könnten zu Naturgipsersatzstoffen greifen, die aus einem intelligenten Material-Mix bestehen:
- 50 Prozent des Gipses wird in Deutschland für Platten verbraucht (VDI, Januar 2025: Einsatz von Trockenbauelementen, S. 18). Diese können vollständig durch nachwachsende Rohstoffe, insbesondere Strohplatten, ersetzt werden. Das Umweltbundesamt UBA weist in einer Studie 10 Millionen Tonnen Strohüberschuss pro Jahr aus und Strohplatten sind bereits auf dem Markt. Für höhere Brandschutzklassen ist ein dünner Putz auf den Platten aus Lehm oder Kalk ausreichend. Ein ehemaliges Gipsabbau-Unternehmen aus dem Südharz wirbt bereits mit dem „Strohpanel“ als ökologische Alternative zu Gipskarton (Deutsche Bauzeitung, 08.07.2022: Stroh statt Gipskarton).
- 50 Prozent deutscher Baugipse werden zu etwa gleichen Teilen in Putzen, Estrichen und Zement verarbeitet. Diese Produkte können auch aus Lehm, Kalk oder Recycling-Gips hergestellt werden. Lehm und Kalk sollten als mineralische Stoffe aber sparsam eingesetzt werden. Lehm wird vom größten deutschen Hersteller nur sekundär aus anderweitig entstehenden Gruben, wie Baugrundstücken, gewonnen.
Solange aktuell noch immer 1,20 Millionen Tonnen Gips- und Anhydrit pro Jahr netto exportiert werden (BGR, 2024: Bericht zur Rohstoffsituation in Deutschland 2023, S. 176), stellt sich die Frage, ob die vermeintlichen Engpässe realistisch sind.
Der Studie „Anwendung von Phosphorgips als Ersatz für den zukünftigen Entfall von REA- und Naturgips“ (DMT GmbH, 2021) lässt sich entnehmen, dass die in Deutschland nächstgelegenen Phosphorgips-Halden 150 km von Berlin oder 60 km von Görlitz entfernt in Polen liegen. Der Transport von Polen nach Berlin ist kürzer als der von Iphofen oder dem Südharz in die Bundeshauptstadt! Bezüglich der natürlichen Radioaktivität von Phosphorgipsen erklärt die Studie der DMT, dass durch einfache Verfahren wie Sieben die Gipschargen aussortiert werden können, die den strengen deutschen Vorschriften für Innenausbaustoffe und damit denen von Naturgips oder Lehm entsprechen.
Je mehr Platten in einem Werk produziert werden, desto günstiger werden diese. Wir brauchen also einen Wandel von hoher Gipskartonproduktion hin zu hoher Produktion von Stroh- und Lehmplatten, dann werden diese auch günstiger. Auch bei Phosphorgips geht es im Kern nur um die Frage, wie eine Kostensenkung der Aufbereitung erreicht werden kann. Die TU Freiberg extrahiert bereits Seltene Erden aus Phosphorgipshalden im Labormaßstab. Bei Umsetzung in großtechnischem Maßstab würde „ganz nebenbei“ gereinigter Phosphor-Baugips anfallen.
BUND und BN fordern Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft auf, sich für mehr Kreislaufwirtschaft und damit mehr Ressourcenschutz einzusetzen. Alternativen zu Naturgips müssen gefördert und verstärkt auf den Markt gebracht werden, z.B. mit Mitteln für Strukturwandel. Eine gute Kreislaufwirtschaft schützt unsere Umwelt und erhält Natur. Intakte Böden und Wälder sind für sauberes Wasser, gesunde Nahrungsmittel und nachwachsende Rohstoffe unerlässlich.
Kontakt:
Ursula Schäfer, Projektkoordination Gipskarst, Tel.: 01579 2331438, u.schaefer(at)bund-thueringen.de
Steffen Jodl, BUND Naturschutz in Bayern e. V., Regionalreferent Unterfranken, Tel. 0160 5611341, steffen.jodl(at)bund-naturschutz.de
Pressekontakt:
Anne Werner | Kerstin Neumann, Tel.: 0361 5550314, Mobil: 0176 13338564 oder 0176 13338510, presse(at)bund-thueringen.de
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