Vorne sichtbar: Steinbruch "Rüsselsee" der Firma CASEA GmbH, dahinter Steinbruch "Himmelsberg/Woffleben" des Unternehmens Saint-Gobain Formula. Dessen Ausweitung in den Wald hinein wird nun vom BUND Thüringen beklagt.
(Stephan Röhl)
Der BUND Thüringen reichte gestern, am 13.01.2025, Klage gegen die Zulassung des Hauptbetriebsplans 2020-2024 für den Gips- und Anhydrittagebau „Woffleben/Himmelsberg“ am Thüringer Verwaltungsgericht in Weimar ein. Der Hauptbetriebsplan sieht vor, dort weitere Flächen mit wertvollen Laubwaldbeständen abzubauen.
Der BUND Thüringen und insbesondere sein Kreisverband Nordhausen setzen sich seit Jahrzehnten für den Erhalt der einzigartigen Gipskarstlandschaft bei Nordhausen ein und fordern ein Ende des Gipsabbaus bis 2045 – durch Umstellung auf Recycling, Industriegipse und nachwachsende Rohstoffe.
„Solange deutsche Unternehmen weiterhin Naturgips exportieren oder für Einweggipsplatten verschwenden, brauchen wir nicht über eine angebliche Rohstoffknappheit in Deutschland diskutieren“, so Tobias Strietzel vom BUND-Kreisverband Nordhausen, für den BUND Thüringen.
Die Klage des Umweltverbandes richtet sich gegen den Antrag der Firma Saint-Gobain Formula GmbH, weitere Flächen im Gipsmassiv „Himmelsberg-Mühlberg“ bei Nordhausen abzubauen. Im vorangegangenen Hauptbetriebsplan 2013-2015 waren Flächen ausgeschlossen worden, um negative Auswirkungen auf die Natur zu minimieren. Im aktuellen Antrag sollen nun unter anderem genau diese Flächen abgebaut werden. „Wir fordern ein Ende dieser Scheibchentaktik“, so Strietzel weiter. „Es kann nicht sein, dass die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik „vergessen“, was als Schutzauflagen festgeschrieben wurde und diese wertvollen Naturflächen gleich beim nächsten Antrag abbauen lassen!“
Die Taktik der kleinteiligen Flächenbeantragung führt auch dazu, dass die anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbände regelmäßig nicht beteiligt werden und das gesamte Ausmaß der Umwelt- und Naturzerstörung nicht gezielt in den Blick genommen wird.
Das Verfahren wird von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB (Würzburg/Leipzig) anwaltlich begleitet. Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) sieht bei der Zulassung des Hauptbetriebsplans erhebliche rechtliche Mängel: „Es wurden die grundlegenden Vorgaben für die Durchführung von Verträglichkeitsprüfungen für das besonders streng geschützte Netz Natura 2000 nicht beachtet, weshalb nun Klage erhoben wurde.“
Der Himmelsberg ist in einigen Teilen Naturschutz- und FFH-Gebiet. Zusammen mit dem östlich anschließenden Naturschutzgebiet „Mühlberg“ ist es ein sehr artenreiches Naturgebiet, das Touristinnen und Touristen sowie den Menschen vor Ort durch blumenbunte Wiesen, geheimnisvolle Wälder und wunderschönen Feuchtgebiete beeindruckt. Bereits um das Jahr 2000 hatte die Gemeinde Niedersachswerfen mit einem Pilotprojekt versucht, den Abbau im damals einzigen Steinbruch „Rüsselsee“ zu begrenzen und zusammen mit dem betreibenden Gips-Unternehmen CASEA GmbH optimal zu rekultivieren. Spätestens aber mit der Genehmigung des neuen, direkt angrenzenden Tagebaus „Himmelsberg“ für die Firma Saint-Gobain im Jahr 2006 wurde das Pilotprojekt „Rüsselsee“ jedoch ad absurdum geführt. In der Folge stellen beide Abbaufirmen immer wieder neue Abbauanträge für neue Flächen, die allesamt mit intaktem, altem Laubwald bewachsen sind.
Der BUND fordert einen Ausstieg aus dem Naturgips durch erneuerbare Baustoffe aus nachwachsenden oder recycelten Materialien und eine entsprechende Marktoffensive, denn viele der Produkte sind bereits auf dem Markt.
Pressebild zum Download: Vorn sichtbar: Steinbruch "Rüsselsee" der Firma CASEA GmbH, dahinter Steinbruch "Himmelsberg/Woffleben" des Unternehmens Saint-Gobain Formula. Dessen Ausweitung in den Wald hinein wird nun vom BUND Thüringen beklagt.
Fotograf: Stephan Röhl
Mehr Informationen:
- Kurzfassung des Gutachtens "Umweltverträgliche Alternativen zum Abbau von Naturgips"
- BUND-Projekt „Netzwerke für den Gipskarst“
- Petition „Stoppt den geplanten Gipsabbau – Rettet die Südharzer Karstlandschaft“
- Pressemitteilung „Südharzer Gipskarstlandschaft durch neues Abbaugebiet in Gefahr – Gipsindustrie rüttelt an Thüringer Regierungsvertrag“
Hintergrund:
Südharzer Gipskarst:
Auf etwa 100 Kilometern Länge und bis zu zehn Kilometern Breite erstreckt sich die Südharzer Gipskarstlandschaft an der Südabdachung des Harzes. Hier finden sich vielfältige Karsterscheinungen wie Erdfälle, Dolinen, Höhlen und Bachschwinden, die in so hoher Anzahl auf engsten Raum einmalig in Europa sind. Das Gipskarstgebiet im Südharz ist das größte und bedeutendste Gipskarstgebiet in Mitteleuropa. Diese Besonderheit ist das Ergebnis von geologischen und klimatischen Prozessen, welche vor etwa 250 Millionen Jahren ihren Anfang genommen haben und bis heute andauern. Dadurch ist ein vielfältiges Mosaik an Lebensräumen entstanden, in dem unterschiedlichste Arten eine Heimat gefunden haben. Selbst Relikte der Eiszeit konnten hier bis heute überdauern. Zahlreiche gefährdete und seltene Arten sind hier zuhause. Dazu zählen mindestens sechzehn Fledermausarten, die besonders in den Karsthöhlen und alten Wäldern Unterschlupf finden. Die Wildkatze erreicht in der Südharzer Gipskarstlandschaft maximale Siedlungsdichten, denn reich strukturierte Buchenwälder dienen ihr sowie dem Uhu als Lebensraum. Zahlreiche Amphibien finden in den wassergefüllten Erdfällen, in Schluchtwäldern oder Quellsümpfen ihre Heimat.
Gips-Exporte:
Ein Großteil der deutschen Gipsgewinnung wird für den Export verwendet. Nach Angaben des Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. wurden in Deutschland im Jahr 2019 rund 59 % des Gips- und Anhydritsteins für die Herstellung von Gipserzeugnissen für den Bau und etwa 28 % für die Zementherstellung verwendet. Weitere 13 % gingen in den Export. Vom erzeugten REA-Gips gingen im selben Jahr etwa 72 % in Gipserzeugnisse für den Bau, etwa 21 % in den Export und rund 4 % in die Zementherstellung. Die weiteren Anteile wurden in anderen Bereichen beispielsweise als Füllmaterial im Landschaftsbau, eingesetzt (BBS 2022). Quelle: „Deutschland – Rohstoffsituation 2021“, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Dezember 2022 (abrufbar unter https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Min_rohstoffe/Downloads/rohsit-2021.pdf;jsessionid=E5C4E06E42BE014CEF6C0692FF785E70.internet952?__blob=publicationFile&v=4)
Kontakt:
Tobias Strietzel, BUND-Kreisverband Nordhausen, info(at)bund-nordhausen.de
Der BUND Nordhausen trifft sich jeden ersten Dienstag im Monat um 18:30 Uhr im Jugendklubhaus Nordhausen, Käthe-Kollwitz-Str. 10 in Nordhausen.
Pressekontakt:
Anne Werner und Kerstin Neumann, Referentinnen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 0361 5550314, Mobil: 0176 13338564 oder 0176 13338510, E-Mail: presse(at)bund-thueringen.de
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Die Gipskarstlandschaft Südharz ist ein weltweit einzigartiger Hotspot der Artenvielfalt. Hier finden sich eine Vielfalt an Karstphänomen und Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Trotzdem baggert sich die Gipsindustrie mit schwerem Gerät weiter in die unersetzbare Landschaft. Helfen Sie uns, die Menschen vor Ort aufzuklären und die Gipskarstlandschaft vor weiterem Raubbau zu schützen.